Der „Nachlass“ des Kolonialoffiziers Valentin von Massow

Die Provenienzforschung geht der Herkunft von Museumsobjekten auf den Grund. Zwei Bögen und ein Köcher aus den rem-Sammlungen stammen aus dem Nachlass des deutschen Kolonialoffiziers Valentin von Massow. Ihre Spuren lassen sich bis ins Jahr 1898 nach Togo verfolgen.

In den Magazinen der Reiss-Engelhorn-Museen befinden sich drei Objekte aus dem Nachlass des deutschen Kolonialoffiziers Valentin von Massow (1864-1899), die im Rahmen des laufenden Projekts zur Digitalisierung der Museumsbestände identifiziert werden konnten. Das Projekt folgt der sogenannten „3-Wege-Strategie“ der Kontaktstelle für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten. Diese befürwortet zur Schaffung von Transparenz die digitale Grunderfassung und Zugänglichkeit von noch nicht publiziertem Sammlungsgut aus den ehemaligen Kolonien in deutschen ethnologischen Museen.

Der fragliche Nachlass enthält zwei Bögen und einen Pfeilköcher, die 1896/1899 bei bewaffneten Kriegszügen in der ehemaligen deutschen Kolonie Togo (1884-1914) erbeutet wurden. Im Sinne des Leitfadens zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten sind solche Museumsstücke als „historisch sensibel“ wahrzunehmen, da sie das Unrecht der kolonialen Situation noch greifbar evozieren und mit geschichtlich schmerzhaften Erinnerungen belastet sind. Mit dieser Geschichte müssen sich die Museen deshalb aktiv auseinandersetzen. Die Sammlung von Massow bildet zusammen mit insgesamt 200 weiteren Objekten aus Togo einen Teil der Afrika-Sammlung der rem. Insgesamt besitzen die rem 11 800 ethnographische Objekte aus verschiedenen Regionen Afrikas.

Lebensgeschichte Valentin von Massows

Valentin von Massow wurde 1864 in Steinhöfel, etwa 100 km östlich von Berlin, geboren. Sein Vater war der preußische Oberst Valentin von Massow senior und seine Mutter Adelheid von Massow, geb. Freiin von der Asseburg. Valentin wurde erst von einem Hauslehrer unterrichtet und legte 1884 sein Abitur an der Klosterschule in Rossleben ab. Anschließend immatrikulierte er sich an der Universität Bonn, wo er zunächst einen einjährigen freiwilligen Militärdienst für Studenten im Königlichen Husarenregiment ableistete. Er beendete seine Dienstzeit als Unteroffizier der Reserve und verzichtete schließlich gleich danach auf sein ursprüngliches Vorhaben, ein Studium aufzunehmen. Stattdessen interessierte er sich für die Offizierslaufbahn und kehrte 1886 in den aktiven Militärdienst zurück. Diesen verließ er 1894, blieb aber Reserveoffizier im Kürassierregiment von Deisen und wurde 1896 zum Oberleutnant ernannt.

Im selben Jahr wurde er aufgrund der Entlassung eines Offiziers für zwei Jahre zum Leiter der Polizeitruppe der Kolonie Togo ernannt und trat damit in den deutschen Kolonialdienst ein. Als Truppenführer war er maßgeblich an Strafexpeditionen zur Unterwerfung einheimischer Widerstandsbewegungen beteiligt. Nach zweijähriger Dienstzeit übernahm er die Leitung der deutsch-französischen Kommission zur Festlegung der Nord- und Ostgrenze des Gebiets. Er starb 1899 in der Kolonie an Malaria und wurde vor Ort beigesetzt. Seine Familie ließ seine sterblichen Überreste zwei Jahre später exhumieren und nach Steinhöfel überführen.

„Strafexpedition“ 1896-1899

Der Auftrag von Massows in der Kolonie Togo bestand darin, die Einheimischen durch die Androhung militärischer Gewalt zu unterwerfen und die deutsche Kolonialherrschaft im Norden des Gebiets zu sichern. Dazu standen ihm etwa hundert einheimische Söldner und ein deutscher Unteroffizier zur Ausführung seiner Befehle zur Verfügung. Seine Aufgaben musste er durch Verträge mit lokalen Chiefs und die Errichtung von Militärstationen als Zeichen der endgültigen Erschließung konkretisieren. Dies führte jedoch zu Konflikten mit den einheimischen Chiefs, die das Vorhaben der Deutschen nicht akzeptierten oder teilweise andere Kolonialmächte bevorzugten. Über seine Ende 1896 durchgeführte Eroberungsexpedition ins Landesinnere und spätere Unterwerfungszüge berichtete er bis zu seinem Tod ausführlich in Tagebüchern und Briefen.

Zu heftigen Kämpfen kam es unter anderem gegen die aufständischen Dagomba, Konkomba, und Kabyè, deren Siedlungen nach ihrer Niederlage gegen die mit westlichen Gewehren ausgerüsteten Söldner rücksichtslos niedergebrannt wurden. Die einheimischen Krieger, die sich von Massow und seinen Söldnern entgegenstellten, waren mit traditionellen Waffen wie Speeren, (vergifteten) Pfeilen und Bögen ausgerüstet und konnten sich daher vergleichsweise wenig erfolgreich zur Wehr setzen. Von Massow selbst deutete die Unterwerfung der Einheimischen als „zivilisiertes Gefühl“ und fasste seinen Stolz mit den Worten zusammen:

„Hätte ich nicht jedes feindliche Dorf, durch das ich zog, niederbrennen lassen und jeden Einwohner, dessen ich habhaft werden konnte, fangen lassen, es wäre mir als Angst und Furcht (…) und nicht als zivilisiertes Gefühl ausgelegt worden und die Früchte meiner Erfolge wäre mir verloren gegangen. Ich musste aber strafen, und eine andere Strafe gab es nicht.“

Kriegsbeute – Nachlass – Geschenkt – Getauscht – Museumsobjekt

Von Massow hatte seinerzeit in der deutschen Kolonie Togo zahlreiche ethnographische Gegenstände sowie menschliche Gebeine Verstorbener gesammelt und nach Berlin geschickt. Einige ethnographische Objekte behielt er für sich, die nach seinem Tod von seiner Mutter übernommen wurden. Diese schenkte sie später an das Königliche Museum für Völkerkunde in Berlin, von wo aus die meisten als Dubletten an andere deutsche Museen verteilt wurden. Das Königliche Museum für Völkerkunde in Berlin übergab in den 1920er Jahren der Großherzoglichen Sammlung für Altertums- und Völkerkunde in Karlsruhe „Bögen und Köcher aus Togo, aus d. Nachlass d. verst. Oberleut. Valentin v. Massow als Geschenk v. dessen Mutter, Frau v. Kuylenstjerna in Steinhöfel bei Fürstenwalde".

Von den insgesamt zehn Bögen und Köchern gingen sieben 1928 tauschweise an den Berliner Händler Arthur Speyer II. Im Jahr 1935 erhielt das städtische Reiß-Museum in Mannheim im Rahmen eines Sammlungsaustauschs zwischen den badischen Museen zahlreiche ethnographische Gegenstände aus dem Badischen Landesmuseum in Karlsruhe, wodurch auch seine Afrika-Sammlung einen erheblichen Zuwachs erfuhr.

Zu dieser Karlsruher Sammlung gehören auch die übrigen drei Objekte aus dem Nachlass von Massow. Bei den Mannheimer Stücken handelt es sich um einen Pfeilköcher, und zwei Bögen mit und ohne Sehne, die laut Angaben in den Inventarbüchern der nördlichen Bevölkerungsgruppe der Kabyé zugeordnet werden können. Von Massows Unterwerfungszug gegen die Kabyé fand 1898 statt und endete – wie er selbst berichtete – mit einer sehr reichen „Kriegsbeute an Waffen und Kuriositäten“. Der Köcher soll ursprünglich 18 vergiftete Pfeilen mit Talismanen enthalten haben, die jedoch bei der aktuellen digitalen Erfassung nicht mehr identifiziert werden konnten.

Zusammenfassung

Ein Blick auf die Herkunftsgeschichte der Objekte zeichnet zusammenfassend folgende Reiseroute: Die Objekte wurden 1898 als Kriegsbeute zusammengetragen und von ihrem Ursprungsort in Togo entfernt. Im Jahr 1900 gelangten sie nach dem krankheitsbedingten Tod von Massows als Nachlass in den Besitz seiner Mutter. Diese schenkte die Waffen später dem Berliner Museum für Völkerkunde. Das Berliner Museum löste den Nachlass weiter auf und gab einen Teil an das Badische Museum in Karlsruhe, wo die Objekte schließlich 1935 im Zuge des Karlsruher Ringtauschs in die Mannheimer Sammlungen eingingen und heute noch als Museumsobjekte erhalten sind.

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In Film und Audio-Podcast gewähren rem-Direktorin Dr. Sarah Nelly Friedland und der wissenschaftliche Mitarbeiter Oussounou Abdel-Aziz Sandja einen Einblick in die Provenienzforschung an den rem. Werfen Sie einen Blick in unser Depot. Zu den digitale Angeboten

Leitfadens des Deutschen Museumsbundes zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten